28.05.2020
Die Zahl der COVID-19-Infizierten in Österreich sinkt, doch nun steigt die Sorge um einen anderen Patienten: den Automobilsektor. Die Symptome äußern sich in hohen Umsatzeinbußen, wirtschaftlichem Stress und düsteren Zukunftsprognosen. Die Auswirkungen treffen die gesamte europäische Volkswirtschaft. Verbände rechnen vor, dass die Automobilindustrie in Europa für 13,8 Millionen Beschäftigte stehe und somit 6,1 Prozent aller Beschäftigen und etwa sieben Prozent des Bruttosozialprodukts der EU ausmache. Rund 57,4 Milliarden Euro (28 %) fließen innerhalb der EU in Forschungs- und Entwicklungsausgaben des Automobilsektors. (Quelle: CLEPA)
In Europa wird noch heiß diskutiert, welche Maßnahmen spürbare Effekte auf die Genesung der Automobilbranche haben könnten. Während noch Probleme gefunden, statt Lösungen gesucht werden, sehen wir uns die Situation aus einer anderen Perspektive an. Wir nehmen fünf „Aktionspläne“ unter die Lupe, malen uns das Worst-Case-Szenario aus und zeigen, wie man die Automobilbranche am schnellsten gegen die Wand fahren könnte. Bitte nicht nachmachen!
1) Grenzen geschlossen halten
Da die Automobilindustrie in Österreich nur zu rund 80 % von Exporten abhängt, schadet es bestimmt nicht, wenn die Grenzen lange geschlossen bleiben. Wir handeln schließlich nicht mit verderblicher Ware. Außerdem soll das Ein-Mann-LKW-Cockpit nicht zum neuen Ischgl werden. Damit keine Langeweile unter den Zulieferern und Logistikern aufkommt, könnten die Grenzmaßnahmen sogar in jedem Bundesland anders abgewickelt und dezentral gesteuert werden. Nach ein paar Monaten können wir die Schranken langsam entstauben. Die Logistiker machen sich mit den Waren auf den Weg und werden weltweit von den OEMs und Tier 1-Lieferanten mit offenen Armen empfangen. Dass unsere heimischen Unternehmen inzwischen von den zahlreichen Mitbewerbern verdrängt werden könnten, ist nur ein kleines Restrisiko, das man eben in Kauf nehmen muss.
2) Keine unnötigen Ausgaben
Vermeiden Sie Finanzierungen und Förderungen für R&D. Forschung hat in der Vergangenheit nicht viel gebracht und wird uns auch jetzt nicht ins Science-Fiction-Zeitalter katapultieren. Sollen sich doch andere Länder um Innovationen kümmern. Der Markt regelt ohnehin alles von selbst und ein paar Wochen lassen sich auch in der Hängematte gut aushalten. Projekte zu alternativen Antrieben, effizienter bzw. vernetzter Mobilität? Diese waren vor einer gefühlten Ewigkeit - im Februar/März 2020 - noch sehr gefragt, aber heutzutage sind sie völlig deplatziert. Investitionen in die digitale Infrastruktur? Darum können wir uns auch noch in zehn Jahren kümmern.
3) Mitarbeiter wissen schon genug
Qualifizierte Mitarbeiter sind wichtig, aber für Weiterbildung fehlt einfach das Geld. Jetzt heißt es Überstunden und Urlaubstage abzubauen, um dann später voller Elan zur Arbeit zu kommen. Die unbequemen Mitarbeiter, die plötzlich neue Ideen und Weiterbildungsanträge mitbringen, haben einfach zu viel Zeit und wollen die Situation zu deren Gunsten ausnutzen. Wenn sie nach Höherem streben und ihr Know-how verbessern wollen, können sie sich gerne einen anderen Arbeitgeber suchen. Es wimmelt schließlich von arbeitssuchenden und fähigen Menschen, die in kürzester Zeit eingeschult und eingearbeitet sind.
4) Altbewährtes statt Diversifikation
Mobilität ist eine der wichtigsten Branchen. Das war so, ist so und wird auch immer so bleiben. Warum also mit dem Gedanken spielen, in eine andere Branche einzutauchen? Man denke an die verschwendete Zeit und die exorbitanten Kosten, um etwa in der Medizin- und Umwelttechnik erfolgreich zu werden. Dann lieber zurücklehnen, die Krise aussitzen und hoffen, dass man danach den Anschluss nicht verpasst.
5) Supply-Chain-Management
Als mittelständischer Betrieb hat man sich ein Netzwerk an Lieferanten aufgebaut. Nur, weil man ein paar Wochen auf Einzelteile warten muss, lohnt es sich nicht, sich nach Alternativen umzusehen – schon gar nicht in Europa. Niemand will seine Lieferanten verärgern, deshalb müssen die Auftraggeber eben geduldig sein.
Es gibt weitaus bessere Möglichkeiten, um nach dem Lockdown neue Kraft zu tanken. CLEPA, der europäische Verband der Kfz-Zulieferer, hat dazu das Paper „25 Actions for a successful restart of the EU's automotive sector“ herausgebracht, das unmittelbare und konkrete politische Empfehlungen auflistet. In unserer neuen Initiative „Roadmap 2 Restart“ setzen wir auf Kooperation, Austausch und Vernetzung und erarbeiten gemeinsam Strategien für den Neustart. Maßgeschneiderte Weiterbildung für Mitarbeiter der Automobilbranche finden sich außerdem in unserem aktuellen Qualifizierungsprogramm 2020/21. Die Schulungen werden auch inhouse angeboten.