23.10.2020
COVID-19 hat die Automobil- und Zulieferindustrie ordentlich gebeutelt. Zahlreiche Initiativen – auch neue – im AutomobilCluster unterstützen die Mobilitätsbranche. Ein leises Aufatmen ist bereits zu spüren. Und es gibt sogar Betriebe, die im Krisenjahr 2020 neue Standorte im Ausland eröffnen.
Die Coronakrise brachte die Automobilbranche in eine verfahrene Situation: Fertigungsstraßen standen still, Absatzmärkte brachen ein und die Abschottung einzelner Staaten stellte intakte Lieferketten auf die Zerreißprobe. In diesem Umfeld hat der AutomobilCluster mehrere Initiativen gestartet, um die Mobilitätsbranche zu unterstützen.
Zahlen verdeutlichen die Dimension der Krise: Im Vorjahr wurden global rund 90 Millionen Fahrzeuge verkauft, für 2020 gehen Experten nur mehr von 60 bis 70 Millionen aus. Für viele Zulieferer würde ein Rückgang um 30 Prozent einen wirtschaftlichen Totalschaden bedeuten. Oberösterreich ist allerdings gewappnet. Mit dem AutomobilCluster sitzen 16 Unternehmen im „Rettungsboot“: Ein virtueller Kick-off der „Roadmap 2 Restart“ symbolisierte den Neustart nach der erzwungenen Notbremsung.
Neben spannenden Vorträgen kristallisierte sich heraus, wie die heimischen Unternehmen die Rückkehr auf die Erfolgsstraße meistern wollen: Qualität, kurze Lieferwege, hochqualifiziertes Personal sowie Digitalisierung und Automatisierung. „Es gilt, die Stärken der heimischen Unternehmen – Hochtechnologie, qualifizierte Mitarbeiter und Ressourceneffizienz – weiter auszubauen, um die Wettbewerbsfähigkeit am Standort zu sichern“, sagt Wirtschafts-Landesrat Markus Achleitner.
Die Ausgangslage wurde durch den Vortrag von Harald Jedlicka, Senior Investment Policy Officer der World Bank Group, verdeutlicht: „Wir stellen den größten Rückgang seit dem Zweiten Weltkrieg fest, der mit der großen Rezession der 1930er-Jahre vergleichbar ist. 90 Prozent aller Länder sind betroffen. Wir erwarten zwar einen leichten Wiederanstieg für 2021, die Prognosen sind allerdings mit großen Unsicherheiten behaftet.“ Auslandsinvestitionen gingen um mehr als 40 Prozent zurück.
Die Krise hat die Abhängigkeit der westlichen Hemisphäre von Asien verdeutlicht. Hier liegt aber die Chance für heimische Betriebe. In Umfragen hat sich gezeigt, dass viele Automobilkonzerne ihre Lieferketten in Zukunft verkürzen wollen. Jedlicka sieht darin eine große Chance für lokale Zulieferer. Gleichzeitig lohnt es sich, die Digitalisierung und Automatisierung weiter voranzutreiben. „Jede Krise bietet Chancen und bringt Gewinner oder Verlierer hervor. Wer zu den Gewinnern gehören möchte, muss sich vorbereiten und proaktiv Chancen nutzen“, sagt Jedlicka.
Markus Landl von der RICO Group in Thalheim bei Wels zeigte auf, wie sein Unternehmen die Krise bisher erfolgreich gemeistert hat. Seine Empfehlungen klingen einleuchtend: Hundertprozentig lieferfähig bleiben, hundertprozentig erreichbar sein, hundertprozentig Teamwork. Gerade der Fokus auf Mitarbeiter darf nach Landls Ansicht nicht unterschätzt werden. „Sie sind die Goldstücke unseres Unternehmens. Flexible und motivierte Teams ermöglichen ein schnelles Handeln – und ohne unsere Mitarbeiter steht auch die Maschine still“, unterstreicht Landl. Weiters sei es auch wichtig, einen adaptionsfähigen Notfallplan zu haben und eventuell einen entscheidungsfähigen Krisenstab einzurichten. Eine ordentliche Finanzplanung, Liquidität und Diversifikation sind ebenfalls Grundpfeiler des Erfolgsrezepts der RICO Group.
„Der ganze Herbst steht unter dem Motto ‚Restart‘, denn wir sehen es als unseren Grundauftrag, zu einer positiven Weiterentwicklung beizutragen“, erklärt Florian Danmayr, Manager des Automobil-Clusters. Das leise Aufatmen in der Branche ist bereits zu spüren, die Stimmung deutlich positiver als noch vor wenigen Wochen. Die Krise, die durch Covid-19 ausgelöst wurde, hat viele Unternehmen zurückgeworfen. Auch wenn mittlerweile Silberstreifen am Horizont sichtbar werden, sind sich Experten darin einig, dass der Automobilsektor noch Zeit für die Regeneration braucht. Die Initiativen des Automobil-Clusters sollen dabei helfen, diese Reaktionszeit möglichst kurz zu halten.
Weil klassische Vertriebswege aktuell vor großen Hürden stehen, der Austausch mit Kunden aber gerade jetzt besonders wichtig ist, hat der Automobil-Cluster die Innovationsplattform „click&meet“ entwickelt. Sie ermöglicht Zulieferern einen gezielten, virtuellen Kontakt zu potenziellen Kunden. Erster Gastgeber ist der Automobilhersteller Renault-Nissan. Zulieferer mit Lösungen zu den Themen Nachhaltigkeit und grüne Fahrzeugtechnologien haben die Chance, ihr Angebot direkt im Entwicklungszentrum von Renault-Nissan virtuell zu präsentieren.
Mit dem neuen Qualifizierungsprogramm bietet der Automobil-Cluster branchenspezifische, maßgeschneiderte Lehrgänge. Sie stellen sicher, dass Mitarbeiter die Fähigkeiten und das Wissen haben, um die hohen Qualitäts- und Prozessstandards der Automobilindustrie zu beherrschen.
Mit der Initiative „Roadmap 2 Restart“ werden neue Allianzen gesucht, um die schwierige Situation gemeinsam zu bewältigen. Durch den kooperativen Zugang sollen Eckpfeiler für den unternehmerischen Erfolg der mitwirkenden Unternehmen geschaffen werden. Wie haben andere Unternehmen die Krise gemeistert? Welche Möglichkeiten für Kooperationen gibt es? Wo liegen die Kernprobleme der anderen? Wie entwickelt sich die Branche? Diesen Fragen wollen die Teilnehmer in den nächsten Monaten auf den Grund gehen. Bis zu zehn Termine sind dafür geplant.
Mittlerweile spüren zum Glück viele Unternehmen schon wieder den Aufwärtstrend, wie beispielsweise der Zulieferer TCG UNITECH aus Kirchdorf (siehe auch Interview auf Seite 10). Der Waldviertler Familienbetrieb Pollmann baut sogar an einem neuen Werk in Mexiko. Das Werk wird bereits im kommenden Jahr im IndustrialPark San Miguel de Allende die Fertigung aufnehmen. Der Standort liegt rund drei Autostunden nordwestlich von Mexico-City.
Pollmann hat sich für den Bau entschieden, weil das Unternehmen bereits einen entsprechenden Auftrag akquiriert hatte. Ab Mitte 2021 werden 1,4 Millionen Autoschlösser pro Jahr produziert. Die 100-Prozent-Tochter der Pollmann International GmbH legt das Augenmerk auf flexible Fertigungsmöglichkeiten. Die 5.000 m2 große Produktionsfläche wird manuelle Konfektionierung genauso ermöglichen wie hochkomplexe Fertigungsprozesse.
Projektleiter Stefan Pollmann erklärt die strategische Erweiterung so. „Wir sehen Mexiko als wichtiges zweites StandortModul für den gesamten NAFTA-Raum. Kunden in den USA können vom Produktionsstandort in Illinois beliefert werden, die Produktionsbetriebe unserer Kunden in Mittel- und Südamerika können wir von Mexiko aus bedienen.“