12.06.2023
Die Automotivebranche ist der Motor für Wirtschaft, Arbeitsplätze und Wohlstand in Oberösterreich. Die Initiative „Future Mobility Region“ soll die Kompetenzen weiter ausbauen und international noch stärker positionieren. Mit 4,3 Mio. Euro fördert das Land OÖ sechs neue Projekte für den Automotive-Standort. Und wir können über weitere Meilensteine berichten.
Umweltfreundliche, vernetzte Fahrzeuge, automatisiertes Fahren und effizienter Verkehr – an Oberösterreich führt bei der Mobilität von morgen kein Weg vorbei. Ein Schwerpunkt der Wirtschafts- und Forschungsstrategie #upperVISION2030 des Landes Oberösterreich ist die Entwicklung des Wirtschaftsstandortes zur „Future Mobility Region“. Denn im Umkreis von 50 Kilometern finden sich mit Produktionsunternehmen und Dienstleistern, Forschungseinrichtungen und sonstigen Organisationen die notwendigen Kompetenzen und die Infrastruktur zur Entwicklung und Fertigung nachhaltiger Fahrzeugkonzepte.
In der Initiative „Future Mobility Region” arbeiten 280 Unternehmen und Forschungseinrichtungen an der Mobilität der Zukunft. Sie sorgen für 11,5 Milliarden Euro Umsatz, 3,6 Milliarden Euro Wertschöpfung und mehr als 31.000 Beschäftigte. Bemerkenswert sind auch die indirekten Effekte: Jeder Euro Wertschöpfung löst 2,2 Euro Gesamtwertschöpfung aus. Und jeder Job in der oberösterreichischen Automotivebranche sichert insgesamt 2,7 Jobs.
Die Website www.futuremobilityregion.at dient als Plattform, um die Akteure sowie die zahlreichen Forschungs- und Entwicklungsprojekte sichtbar zu machen, aber auch die Unternehmen und Forschungseinrichtungen zu vernetzen. „Aufgabe der Future Mobility Region ist es, ein Mobility-Ökosystem rund um die Kernthemen Off-Highway, kommerzielle Fahrzeuge sowie vernetztes und automatisiertes Fahren zu entwickeln“, sagt Florian Danmayr, Manager des AutomobilClusters, Schirmherr der „Future Mobility Region“. Die Website macht auch die sechs Themenfelder der Future Mobility Region sichtbar und wird ständig um neue Success Storys, Best-Practice-Beispiele und aktuelle Projekte erweitert.
Eine internationale Expertenjury hat im Mai sechs Projekte zur Förderung empfohlen und damit die jüngste Förderausschreibung „Future Mobility“ abgeschlossen. „Die Gesamtinvestitionssumme der ausgewählten Projekte beträgt 5,84 Millionen Euro. Das Wirtschaftsressort stellt 4,3 Millionen Euro Landesförderung bereit“, sagt Wirtschafts- und Forschungs-Landesrat Markus Achleitner. An den Forschungs- und Entwicklungsprojekten sind elf Unternehmen, vier außeruniversitäre Forschungseinrichtungen sowie die Johannes Kepler Universität mit zwei Instituten und die FH OÖ Forschungsund Entwicklungs GmbH beteiligt.
Bei „PrintedRadar“ geht es um die additive Fertigung von 3D-Hohlleiter-Radarantennensystemen. Im Gegensatz zu den herkömmlichen flachen und teuren Patch-Antennen, die groß sein müssen, setzt das Projekt auf Hohlleitersysteme in Kombination mit 3D-Antennen, um die Performance des gesamten Radarsystems zu verbessern und zu miniaturisieren. Projektpartner sind PROFACTOR aus Steyr, Infineon Technologies Linz, Silicon Austria Labs Linz und TIGER Coatings aus Wels.
E-Bikes und E-Scooter sind mit dem aktuellen Stand der Technik nicht gerade leise, weil in den Motoren meist Zahnräder aus Stahl und Kunststoff verbaut sind. Mit Sinter-Technologie hergestellte Zahnräder mit funktionaler Beschichtung bieten hinsichtlich Akustik, Qualität, Nachhaltigkeit und Leichtbau einen Vorteil. Im Forschungsprojekt „BILEMA“ entwickeln und testen Miba Sinter Austria, High Tech Coatings und die FH Oberösterreich F&E GmbH maßgeschneiderte Systeme für elektrische Mikromobilitätsantriebe.
Das Projekt „rGFK goes Trailer“ will zwei grundsätzliche Probleme zu einer Lösung zusammenführen Zum einen gibt es für die immer mehr werdenden ausgedienten Windkrafträder aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) zu wenig Verwertungsstrategien, zum anderen sucht der oberösterreichische Nutzfahrzeughersteller Schwarzmüller nach einer alternativen Leichtbaulösung für Ladeböden von Lkw-Anhängern, die derzeit aus Siebdruckplatten hergestellt werden. Diese Siebdruckplatten lassen sich nicht weiterverwenden, sind nur in ungünstigen Standardmaßen erhältlich und außerdem von Lieferproblemen betroffen. „Die Idee ist, aus geschredderten Rotorblättern in einem Pressverfahren hochwertige wiederverwertbare rGFK-Platten (recycelte glasfaserverstärke Kunststoffplatten) herzustellen, die den Anforderungen der Ladeböden für Nutzfahrzeuge entsprechen und weitere Wettbewerbsvorteile wie eine rutschfeste Oberfläche und die Möglichkeit zur Integration von intelligenter Sensorik mit sich bringen“, erklärt Christoph Schöndorfer, Vice President Technology and Innovation bei Schwarzmüller. Am Projekt beteiligt sind auch das TCKT Wels, die FH OÖ, TRIPAN und die Synron GmbH.
Schweißen ist eine Schlüsseltechnologie für das Verbinden von Bauteilen aus kohlefaserverstärkten Kunststoffen (TP-CFK-Bauteile). Das Projekt „Adios Rivet“ entwickelt nun einen Katalog für die gesamte Mobilitätsbranche mit allgemeingültigen Gestaltungsempfehlungen für Schweißverbindungen dieser Werkstoffe. Dadurch soll das Vertrauen in verschweißte TP-CFK-Strukturen gesteigert und die Entwicklungszeiten drastisch – um ca. 50 % – reduziert werden. Projektpartner sind die FACC, die FH Oberösterreich F&E GmbH Wels und die JKU.
Damit die großflächige industrielle Nutzung des WAM-Prozesses (Wire-based additive manufacturing) möglich wird, sind eine signifikante Steigerung der Bauteilaufbauraten und kürzere Prozesszeiten notwendig. Im Projekt „GEPROBA“ soll das durch die Anpassung des Schweißequipments erfolgen. Daran forschen das Leichtmetall-Kompetenzzentrum Ranshofen, die Bitter GmbH, Inocon Technologie und die Wilhelm Schwarzmüller GmbH. „WAM kombiniert die Vorteile neuester Schweißtechnologien, Roboterautomatisierung, computer-gestützter Konstruktion und Fertigung. So können große 3D-Bauteile aus neuen WAM-tauglichen Schweißdrähten aus Aluminium und Magnesium material- und energieschonend, hochqualitativ, kosten- und zeiteffizient gefertigt werden“, erklärt Christian Chimani, Managing Director des LKR Leichtmetallkompetenzzentrums Ranshofen.
Sensorik und drahtlose Kommunikationstechnologien ermöglichen Platooning. Das Projekt „pDrive“ konzentriert sich auf die Verfolgung des Platoon-Anführers. Dabei werden gängige Spurhaltealgorithmen verwendet und Szenarien untersucht, bei denen keine Fahrbahnmarkierungen genutzt werden können. Die Projektpartner arbeiten außerdem an einem sicheren Kommunikationskanal zwischen den Fahrzeugen. Projektpartner sind die FH Oberösterreich, die Johannes Kepler Universität Linz, die Digitrans GmbH und die Windpuls GmbH.
Weitere Meilensteine der Future Mobility Region sind die Milliardeninvestition von BMW, um das Motorenwerk in Steyr zu einem EMobilitätskompetenzzentrum zu machen oder der Auftrag von Volta Trucks an Steyr Automotive, einen E-Lkw zu bauen. Im März erfolgte ebenfalls in Steyr der Spatenstich für das weltweite Prüf-Kompetenzzentrum von AVL List. Das Unternehmen forscht und baut schon jetzt in Steyr an Brennstoffzellen-Lkw. „Der Standort Steyr hat eine große Zukunft, weil die Diversität der Antriebe gerade beim Nutzfahrzeug sehr ausgeprägt ist“, sagte Konzernchef Helmut List. „Wir beschäftigen uns damit, wie das Fahrzeug der Zukunft aussieht“, ergänzte Michael Kordon, Manager des Tech Center AVL Steyr: „Ein wertvoller Beitrag zur CO2 -Minimierung wird künftig aus Steyr kommen.“
Mit 4,3 Mio. Euro fördert das Wirtschaftsressort des Landes OÖ sechs neue Projekte für den AutomotiveStandort Oberösterreich:
• additiver Druckprozess von Radar-3D-Hohlleiter-Antennen
• beschichtete Leichtbaugetriebe für elektrische Mikromobilitätsantriebe
• Ladeboden für Lkw aus RecyclingKunststoff
• Richtlinien für das Schweißen von Leichtbau-Strukturbauteilen
• neue Fertigungsmöglichkeiten für EMobilitätsanwendungen
• Untersuchung der Funktionsweise eines Platoons mit zwei Fahrzeugen
Zu den Highlights der zahlreichen Projekte zählt beispielsweise „BattBox“. Der Maschinenbauer Fill aus Gurten, die AVL und die TU Graz forschen an der nachhaltigen Produktion von effizienten Lithium-Ionen-Batteriesystemen für die Elektromobilität sowie an einem Kreislaufwirtschaftskonzept für Batterien (mehr dazu auf Seite 17). Das Bauunternehmen Swietelsky, Miba Battery Systems, die Netz Oberösterreich GmbH und das Energieinstitut der JKU arbeiten im Projekt „maxE“ an der Elektrifizierung von Baustellen und entwickelt dazu die passenden Energiespeicher (mehr dazu auf Seite 18).
An einem zweiten Leben für Lithium-IonenBatterien von Elektrofahrzeugen forscht auch ein Konsortium um die Steyrer Profactor GmbH im Projekt „BatteryLife“. SecondLife-Anwendungen wie Hausspeicher für Photovoltaikanlagen oder die Integration als Pufferbatterien in intelligenten Ladesäulen sind denkbar, ermöglichen zusätzliche Erlöse, verbessern die Ökobilanz und würden Elektroautos billiger machen. Das Projektkonsortium erstellt daher eine komplette Lebenszyklusanalyse, vom Bau der Batterien bis zu deren Demontage, von Messgeräten über den Zustand der einzelnen Komponenten bis zu den Einsatzmöglichkeiten. Am Ende soll ein umfassendes ökologisch und ökonomisch sinnvolles Wiederverwendungskonzept für Batterien stehen. Beteiligt sind neben Profactor die MIBA Electric GmbH, die Unternehmensberatung Daxner&Merl, das AIT Center für Electric Vehicle Technologies und Keysight Technologies.
Die Automobilbranche in Obersterreich befindet sich also eindeutig auf der Überholspur in Richtung Future Mobility. Der Automobil-Cluster wirkt dabei mit seinen Services und Initiativen als Beschleuniger. Die Jahrestagung automotive.2023 mit hochkarätigen Speakern hat erneut die Vernetzung der Unternehmen und damit die Entwicklung beschleunigt. In diesem Tempo geht es auch weiter. Im September ist die Future Mobility Region mit einem eigenen Informationsstand auf der Internationalen AutomobilAusstellung IAA in München vertreten. Weiters findet im Herbst eine OEM-Mission mit heimischen Zulieferunternehmen nach Detroit statt. Außerdem ist der Automobil-Cluster in Skandinavien unterwegs, um dort den Automotive-Standort Oberösterreich zu präsentieren. So werden gezielt Fahrzeughersteller und große Zulieferer angesprochen, um ihnen den Weg nach Oberösterreich zu ebnen. Im Rahmen der International Mobility Days der WKO im November ist weiters geplant, internationale Player aus dem Mobilitätssektor nach Oberösterreich zu lotsen und einzelne Betriebe zu besichtigen.
Branche: Automobil- und Zulieferindustrie in OÖ
Anzahl Unternehmen: 280
Umsatz: 11,5 Milliarden Euro jährlich
Wertschöpfung: 3,6 Milliarden Euro jährlich
Anzahl Beschäftigte: 31.000