28.10.2022
Callboats, autonome Elektrobusse und intelligente Ampeln – das und mehr erlebten die vierzig Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Europa bei der zweiten RECIPROCITY Mobility Mission drei Tage lang in Helsinki. Der Helsinki-Uusimaa Regional Council (HURC) war vom 5. bis 7. Oktober ihr Gastgeber. Die Gruppe informierte sich über finnische intelligente und nachhaltige Mobilitätslösungen, die sie in ihren Heimatstädten nachahmen könnten. Auch der Automobil-Cluster der oberösterreichischen Standortagentur Business Upper Austria war als Projektpartner vertreten.
Der erste Tag führte ins neu errichtete Urban Environment Building der Stadt Helsinki. Das Gebäude beherbergt das für Stadtplanung, Bauaufsicht und städtische Umweltdienste zuständige Referat Stadtumwelt. Petri Suominen, Transport Planning Manager von HURC, gab einen kurzen Überblick über die Regionalplanung in der Region Helsinki-Uusimaa. In der Region rund um die Hauptstadt leben mehr als 1,7 Millionen Menschen – etwa ein Drittel der Bevölkerung Finnlands. „Unsere Region gilt als cool, lebendig und fröhlich, obwohl wir aufgrund der Größe und Bevölkerungszahl viele verkehrstechnische Herausforderungen zu bewältigen haben“, betonte Suominen.
Helsinki und die umliegende Region Uusimaa wollen bis 2030 CO2-neutral sein. Die Hauptemissionsquellen sind Heizung und Verkehr. Um die Verkehrsemissionen zu reduzieren, werden die Bürger ermutigt, zu Fuß zu gehen oder emissionsarme Transportalternativen zu wählen. Investitionen werden in den Ausbau von Straßenbahnlinien und Radwegen getätigt. „Eine der Strategien lautet: Fußgänger kommen zuerst! Erst danach werden die Bedürfnisse von Öffis und Radfahrer:innen in der Verkehrsplanung berücksichtigt. An letzter Stelle rangiert der Individualverkehr mit dem Pkw“, berichtet Doris Straub, Projektmanagerin im Automobil-Cluster.
Im Open Innovation House der Aalto-Universität in Espoo stellte Milos Mladenovic, Assistenzprofessor für Raumplanung und Verkehrstechnik, intelligente Mobilitätslösungen auf dem Campusgelände vor. Beispielsweise sind sechs Delivery Robots im Einsatz, die Einkäufe oder das Mittagessen zustellen. „Anfangs brauchten die Roboter drei bis vier Stunden bis ans Ziel, weil die Pläne zu ungenau waren, sich die Roboter daher verirrten oder gegen Hindernisse stießen“, schildert Doris Straub. Dank Machine Learning haben die autonomen Fahrzeuge die Wege bereits so genau gelernt, dass sie von der Bestellung bis zur Zustellung weniger als eine Stunde brauchen.
Fünf Start-ups – Spin-off-Unternehmen der Aalto University – stellten ihre intelligenten Mobilitätslösungen vor. Dabei ging es u. a. um Parklösungen, Paketzustellung oder kabelloses Laden von autonomen Robotern während der Fahrt. Eine der Technologien misst zum Beispiel die Sauberkeit und Luftqualität in öffentlichen Verkehrsmitteln. Auf der Plattform Digital Traffic Twin können Stadtbewohner:innen ihre Meinung über Mobilitätslösungen abgeben oder Melden, wo es besonders viel staut oder wo es für Radfahrer:innen schlecht zu fahren ist. Mit Maptionnaire sammelt die Stadt Helsinki Verkehrsdaten in Echtzeit und wertet sie aus. Die Ergebnisse fließen in die Verkehrspolitik und -planung ein.
Am zweiten Tag ging es ins Forum Virium Helsinki. Das ehemalige Krankenhaus wurde zum führenden Start-up-Campus in Skandinavien umgebaut. Juho Kostiainen von der Stadt Helsinki stellte das Mobility Lab Helsinki vor, ein Testfeld für intelligente Mobilitätsinnovationen, und gab einen Überblick über die aktuellen Projekte. „Beispielsweise testen wir autonom fahrende Elektrobusse bereits in 6. Generation. Denn die bisherigen Sensortechnologien mit Radar und LIDAR machen in Helsinki wegen des vielen Schnees Probleme. In Verbindung mit GPS sowie offenen APIs funktionieren die fahrerlosen Busse nun immer besser“, erklärte Kostiainen. Die offene Datenplattform mit den Mobilitätsdaten und den von Sensoren in der Stadt erfassten Verkehrsströmen werden ebenfalls zur Verkehrsplanung herangezogen.
Marcus Nordström von MarshallAI informierte, wie optimierte Ampeln den Verkehr umweltfreundlicher machen: „Die intelligente Ampelschaltung vermeidet unnötige Stopps der Fahrzeuge. Damit haben wir die CO2-Emissionen bereits um zwei bis drei Prozent reduziert.“ Bei einem Ausflug an die Meeresküste erlebten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Callboats – elektrische On-Demand-Boote – im Betrieb. Die Katamarane könnten eine der vorgelagerten Inseln bereits autonom anfahren. Die Gesetze erlauben das aber derzeit noch nicht.
Am dritten und letzten Tag versammelte sich die Delegation im Büro des Regionalrats von Helsinki-Uusimaa, wo Jussi Knuuttila, Experte für internationale Angelegenheiten, die Helsinki Smart Region Plattform vorstellte. Unternehmen und Kunden können mithilfe ihrer lokalen Gemeinschaften effizientere und bequemere Wege für alltägliche Aufgaben finden, z. B. durch Teilen oder Austauschen von Konsumgütern, Transportmitteln und Dienstleistungen. Im abschließenden Capacity Building Workshop erarbeiteten die Teilnehmer:innen, welche in Helsinki vorgestellten Lösungen sie in ihren Heimatstädten und -regionen umsetzen wollen und können.
Die nächste Mobility Mission führt die RECIPROCITY-Projektpartner vom 28. bis 31. März 2023 nach Linz.